Die erfolgreiche Strategie des Wall Street Journal & wem gehören eigentlich KI-generierte Inhalte?
Wie hat das Wall Street Journal seine Digitalsparte profitabel gemacht? Und wer hält eigentlich das Copyright an KI-generierten Texten und Bildern?

Wie das Wall Street Journal Leserinnen und Leser gewinnt
Das Wall Street Journal (WSJ) liegt bei den englischsprachigen Digitalabos mit drei Millionen Abonnent:innen auf Platz Zwei, direkt hinter Platzhirsch New York Times. Zusätzlich verkauft das wöchentlich 700.000 Print-Exemplare. Die Digitalsparte schreibt bereits seit zwei Jahrzehnten schwarze Zahlen – anders als viele andere Zeitungen. Wie hat die renommierte Zeitung das geschafft?
In der aktuellen Ausgabe des Branchenmagazins Kress Pro recherchiert Ulrike Langer, Journalistin und Beraterin, die Erfolgsgeschichte und -faktoren der Digitalstrategie des WSJ. Sie zitiert dabei unter anderem aus einem Leak, in dem Ende 2020 die Digitalstrategie des Blattes kritisiert wurde: „Wenn wir 5,5 Millionen Digital Abonnenten anstreben, werden wir bei unseren derzeitigen Traffic-, Zuwachs-und Absprungsraten dafür ca. 22 Jahre brauchen.“ Zwar ist umstritten, ob das zitierte Strategiepapier maßgeblich zum Erfolg der letzten beiden Jahre beigetragen hat, aber die Maßnahmen, die getroffen wurden „katapultierten das WSJ mit intelligenten Methoden an die technologische Weltspitze.“ Zudem habe es sich erfolgreich für die Gen Z geöffnet.
Dieses proaktive, frühzeitige Handeln steht im eklatanten Widerspruch zur Erwartungshaltung und Strategie vieler deutscher Verlage. Die Trends der Zeitungsbranche 2023 zeigen, dass hierzulande eine Kompensation der Print-Rückgänge durch das Wachstum der Digitalerlöse erst ab 2026 erwartet wird. In Deutschland lässt man sich Zeit mit der digitalen Transformation.
Hingegen schraubt das WSJ schon seit 1996 an einer eigenen Paywall-Strategie und verfeinert sie ständig. Der Durchbruch kam 2018 mit einer intelligenten und dynamischen Paywall. „Die adaptive Paywall des WSJ analysiert mittels künstlicher Intelligenz (KI) das Verhalten von Gelegenheitsnutzern und entscheidet dementsprechend, wie viele und welche Artikel kostenfrei vor der Paywall angezeigt werden sollen.[…] Sie beruht inzwischen auf 65 Variablen des Nutzerverhaltens und demografischen Daten.“
Dazu gehören etwa folgende Datenpunkte:
- Erstbesucher oder wiederkehrend
- Nutzungsfrequenz
- Zeitpunkt der letzten Nutzung
- Verweildauer
- Scrolltiefe
- bevorzugte Inhalte
- bevorzugte Endgeräte
- Browser
- Standort
Zusätzlich verfolgt das WSJ eine „Onboarding-Strategie“ innerhalb der ersten 100 Tage und betreut Neuabonnent:innen eng. Eine ähnliche Strategie verfolgte Zeit Online mit dem Projekt First Subscription Day.
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Auch die interne Organisation und Zusammenarbeit wurde einer Frischzellenkur unterzogen: „Neue Projekte, Produkte und Kanäle werden seit mehreren Jahren nicht mehr innerhalb geschlossener Abteilungen, sondern nahezu ausschließlich von interdisziplinären Teams gemeinsam entwickelt, um diverse Expertisen und Perspektiven einzubringen.“
Die Ergebnisse unserer Untersuchung des News-Publishing-Markts in der Barometer-Studie 2022 zeigen ebenfalls, dass die teamübergreifende Kollaboration im Verlag ein Erfolgsfaktor ist: „Digitale Transformation ist immer ein interdisziplinäres Thema, darin sind sich die Fachleute einig. Neben dem Rückhalt durch das Management müssten etwa Produktbereich und Redaktion Impulse liefern, während die IT im Sinne eines Partners für Stabilität sorgt. ‚Es braucht eine Mischung aus technischer Kompetenz, um Lösungen einschätzen zu können, die Akzeptanz in den Redaktionen und den Rückhalt des Managements“, fasst Jens Küsters [Handelsblatt] zusammen.‘“
Der Regionalverlag Funke Niedersachsen arbeitet ebenfalls sehr erfolgreich nach einem interdisziplinären und datenorientierten Ansatz.
Lesen Sie mehr zur Datenstrategie des WSJ, der Erschließung junger Zielgruppen und der Suche nach Marktlücken: Kress Pro, Heft 01/2023.
Copyright: Wer hat das Recht an KI-Texten und Bildern?
Der Vormarsch generativer KI stellt Verlage und Redaktionen vor neue Herausforderungen, sowohl technologisch als auch ethisch. Wie wird Künstliche Intelligenz bei der Erstellung von Inhalten genutzt und inwieweit wird das transparent gemacht? Wie sichert eine Redaktion ihren Qualitätsanspruch, ohne auf den Effizienzgewinn durch KI-Tools zu verzichten?
Mit diesen Tools kommen aber auch weitere, rechtliche Fragen auf. Wer hat eigentlich das Recht an einem KI-generierten Text oder Bild? Prof. Dr. Anne Lauber-Rönsberg ist Professorin für Recht an der Technischen Universität Dresden und Mitglied der Plattform Lernende Systeme. Sie befasst sich mit der Frage, wem KI-generierte Bilder und Texte gehören.
„Durch eine KI ohne wesentliches menschliches Zutun geschaffene Erzeugnisse sind urheberrechtsfrei und können damit von jedermann genutzt werden, soweit keine anderen Leistungsschutzrechte bestehen“, schreibt sie im KI-Fachmagazin The Decoder. Das gilt aber nicht für jedes Land: In Großbritannien sind computergenerierte Leistungen ebenfalls urheberrechtlich geschützt.
„Diese unterschiedlichen Ausgestaltungen haben eine Debatte über den Sinn und Zweck des Urheberrechts ausgelöst“, führt Professorin Lauber-Rhönsberg weiter aus. „Soll weiterhin gelten, dass das Urheberrecht nur die menschliche, aber nicht die maschinelle Kreativität schützt? Oder sollte im Interesse der Innovationsförderung der ökonomisch motivierte Anreizgedanke im Fokus stehen, indem Exklusivitätsrechte auch für rein KI-generierte Erzeugnisse gewährt werden?“
Verlags-IT: Eigenentwicklung oder modulare Third-Party-Systeme?
Dass das IT-Fachmagazin Golem vor über zwanzig Jahren als reines Digitalmagazin startete, erweist sich aus technischer Perspektive heute als Vorteil.
Die Effizienz des Redaktionssystems wird dabei auf die Spitze getrieben: „Unser System ist eine Eigenentwicklung, die seit 1997 ständig angepasst wird“, erzählt Geschäftsführer und Chefredakteur Benjamin Sterbenz. „Das ist allerdings sehr spartanisch gehalten und hat eher den Charme einer Excel-Tabelle – Redakteur:innen von Tageszeitungen würden im ersten Moment schreiend weglaufen. Aber wenn man sich erstmal dran gewöhnt hat, werden die Vorteile klar: Beispielsweise können unsere Redakteur:innen auch dann problemlos publizieren, wenn die Internetverbindung sehr schwach ist, etwa auf Messen oder Reisen. Alle sind damit sehr zufrieden.“
Ein weiteres Argument für Eigenentwicklungen: Im Vergleich zu anderen Redaktionssystemen sei es erschreckend, dass teilweise wichtige Kernfeatures fehlten, etwa die Option für zeitgesteuerte Veröffentlichungen.
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Eigenentwicklungen sind aber nicht immer sinnvoll, sagt ein anderer Verlagsmitarbeiter: „Ich finde es katastrophal, wenn man selbst Sachen entwickelt, für die es hochprofessionelle, eigene Branchen gibt.“ Dazu zähle insbesondere eine eigene Cloudlösung, die enorme Ressourcen beanspruchen kann und doch nicht an die Leistungsfähigkeit und Stabilität etablierter Cloud-Dienstleister heranreicht.
Modularität und Anpassbarkeit stehen in den Bestrebungen der meisten Verlage ganz oben auf der Liste. „Für uns war wichtig, eine Tool-Landschaft zu haben, die wir mit eigenen Ressourcen möglichst unabhängig weiterentwickeln können“, berichtet Johannes Vogel, Managing Director bei der Strategieberatung The Nunatak Group und ehemaliger Geschäftsführer der Süddeutschen Zeitung Digitale Medien GmbH. „Das heißt nicht, dass man sein eigenes System zwingend entwickeln muss. Aber wir müssen in der Lage sein, auf offenen Systemen den Redaktionen neue Angebote, neue Produktformen und neue publizistische Formate relativ zügig zu ermöglichen." 55 Prozent der befragten Verlage haben bereits eine zentralisierte Form digitaler Content-Erstellung etabliert.
Lesen Sie mehr dazu mehr dazu im Digital News Publishing Barometer 2022.
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